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Wellen

Visum ist abgelaufen. Körper und Geist sind wieder zurück.

Am 30. September ist mein russisches Visum abgelaufen. Nun wissen Körper und Geist, dass das ferne Sibirien momentan nicht mehr erreichbar ist. Dass ich diesen Sommer 42 Tage in diesem wunderbaren Land leben durfte, werde ich nie vergessen.

«Wann ich zurück sein werde? Ich weiss es selber nicht. Ich weiss es nicht, meine Familie weiss es nicht, niemand weiss es.»

Eine Reise zu beginnen ohne zu wissen wann sie zu Ende sein wird, war für mich absolutes Neuland. Vielen Menschen habe ich vor dem Kopf gestossen. Viele konnten nicht verstehen, dass man in einer durchorganisierten Welt abreisen kann, ohne das Ende bereits im Vorfeld zu definieren. Ja, es ist egoistisch, seinen eigenen Weg zu gehen. Und ja, es war auch eine Belastung für mein nahes Umfeld, nicht zu wissen, wann ich wieder zurück sein werde.

Es wurden 42 Tage in meinem Sehnsuchtsland. Tage- und Nächtelang bin ich mit der Transsibirischen Eisenbahn gereist. Habe am Rande der Zivilisation mit den Menschen gelebt. Bin auf Berge gestiegen und habe Schnee geschmolzen, um den brennenden Durst zu löschen. Bin in der «Quelle der Welt» geschwommen und auf den Wellen mit dem Kajak gegleitet. Habe den beissenden Rauch der Waldbrände eingeatmet und von den süssen Erdbeeren der Taiga gekostet. Ich habe im Paradies gelebt, wo «Ölverkäufer» in Moskau sich ein Stück davon kaufen können. Ich habe meinen Traum gelebt.

3 Monate lang habe ich keinen Social Media Kanal mehr gefüttert. Ich versuche in den nächsten Monaten meine Geschichte am Baikalsee punktuell nachzuerzählen. Bewusst wollte ich nicht Online in Sibirien sein. Die Nachbetrachtungen geben mir die Distanz zum Land, zum Wasser und zu mir selber. Ich habe den Ursprung gesucht und gefunden.

Fotografie:
Ernst Bromeis/Das blaue Wunder, Ust-Bargusin Bucht, Baikal